Stoffkreisläufe: Nährstoffe und Energie

 

Neben dem Wasserkreislauf sind die Stoffkreisläufe die zweite Säule des Lebens auf der Erde. Sie beschreiben, wie essentielle Elemente und Verbindungen – die Nährstoffe – innerhalb eines Ökosystems und der gesamten Biosphäre zirkulieren. Anders als Energie, die in einem Ökosystem fliesst und dabei immer wieder als Wärme verloren geht (und durch Sonnenlicht ständig neu zugeführt werden muss), werden Stoffe wie Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel immer wieder recycelt. Sie ändern ihre Form und ihren Ort, bleiben aber im System erhalten. Diese Kreisläufe sind entscheidend für die Verfügbarkeit der Bausteine des Lebens und für die Funktion aller Lebewesen und ihrer Umwelten.

Die wichtigsten Stoffkreisläufe sind:

 

1. Der Kohlenstoffkreislauf: Das Fundament des Lebens

 

Kohlenstoff (C) ist das zentrale Element aller organischen Verbindungen und somit der Baustein des Lebens. Er zirkuliert ständig zwischen Atmosphäre, Ozeanen, Land und Lebewesen.

  • Atmosphäre: Hier findet sich Kohlenstoff hauptsächlich als Kohlendioxid (CO2).

  • Pflanzen (Photosynthese): Pflanzen nehmen CO2 aus der Atmosphäre auf und wandeln es mithilfe von Sonnenlicht in organische Verbindungen (Zucker, Stärke, Zellulose) um. Dies ist die Photosynthese – die primäre Produktion von Biomasse und der Beginn fast aller Nahrungsketten.

  • Tiere (Konsumenten): Herbivoren (Pflanzenfresser) fressen Pflanzen und nehmen so den organischen Kohlenstoff auf. Karnivoren (Fleischfresser) fressen Herbivoren. Über die Nahrungskette gelangt Kohlenstoff von einem Lebewesen zum nächsten.

  • Atmung (Respiration): Sowohl Pflanzen als auch Tiere atmen. Bei der Zellatmung wird organische Materie (z.B. Zucker) mit Sauerstoff zu Energie umgewandelt, wobei CO2 als Abfallprodukt freigesetzt und an die Atmosphäre abgegeben wird.

  • Zersetzung (Destruenten): Wenn Pflanzen und Tiere sterben, zersetzen Bakterien und Pilze (Destruenten) ihre organische Materie. Dabei wird ein Grossteil des gebundenen Kohlenstoffs als CO2 (oder in sauerstoffarmen Umgebungen als Methan, CH4) wieder an die Atmosphäre abgegeben.

  • Ozeane: Die Ozeane sind riesige Kohlenstoffspeicher. CO2 löst sich im Meerwasser (als Kohlensäure) und wird von Meeresorganismen (z.B. Phytoplankton) für die Photosynthese genutzt oder in Kalkschalen (Muscheln, Korallen) gebunden. Sedimente und Kalkstein am Meeresboden speichern Kohlenstoff über Jahrmillionen.

  • Fossile Brennstoffe: Unter bestimmten Bedingungen können abgestorbene organische Materie (Pflanzen, Algen) über Millionen von Jahren unter hohem Druck und hohen Temperaturen zu Kohle, Erdöl und Erdgas (fossile Brennstoffe) umgewandelt werden. Diese speichern Kohlenstoff über geologische Zeiträume.

  • Menschlicher Einfluss: Die Verbrennung fossiler Brennstoffe, Entwaldung und Landnutzungsänderungen setzen grosse Mengen an im Untergrund gespeichertem Kohlenstoff und in Biomasse gebundenes CO2 als zusätzliches CO2 in die Atmosphäre frei, was den natürlichen Kohlenstoffkreislauf stört und zum Klimawandel beiträgt.


 

2. Der Stickstoffkreislauf: Vom Gas zum Lebenselixier

 

Stickstoff (N) ist ein essenzieller Bestandteil von Proteinen, Nukleinsäuren (DNA, RNA) und Chlorophyll. Obwohl 78% der Atmosphäre aus Stickstoffgas (N2) bestehen, können die meisten Lebewesen ihn in dieser Form nicht direkt nutzen. Der Stickstoffkreislauf sorgt für die Umwandlung in verwertbare Formen.

  • Stickstofffixierung: Der wichtigste Schritt. Spezielle stickstofffixierende Bakterien (z.B. in den Wurzelknöllchen von Hülsenfrüchtlern oder freilebend im Boden) wandeln atmosphärischen Stickstoff (N2) in Ammoniak (NH3) oder Ammonium (NH4+) um. Auch Blitzschläge können Stickstoff fixieren.

  • Nitrifikation: Andere Bakterien im Boden wandeln Ammonium in Nitrit (NO2-) und dann in Nitrat (NO3-) um. Nitrat ist die Hauptform, in der Pflanzen Stickstoff über ihre Wurzeln aufnehmen können.

  • Assimilation: Pflanzen nehmen Nitrat (und Ammonium) auf und bauen es in ihre eigenen Proteine und Nukleinsäuren ein. Tiere nehmen diesen Stickstoff auf, indem sie Pflanzen oder andere Tiere fressen.

  • Ausscheidung und Zersetzung (Ammonifikation): Wenn Tiere stickstoffhaltige Abfallprodukte ausscheiden oder Pflanzen und Tiere sterben, zersetzen Bakterien und Pilze die organische Materie und wandeln den Stickstoff wieder in Ammoniak/Ammonium um.

  • Denitrifikation: Unter sauerstoffarmen Bedingungen wandeln denitrifizierende Bakterien Nitrat wieder in Stickstoffgas (N2) um, das in die Atmosphäre entweicht. Dies schliesst den Kreislauf.

  • Menschlicher Einfluss: Die industrielle Herstellung von Stickstoffdüngern (Haber-Bosch-Verfahren) und die Verbrennung fossiler Brennstoffe führen zu einer massiven Zufuhr von reaktivem Stickstoff in Ökosysteme, was zu Eutrophierung (Überdüngung), Luftverschmutzung und Treibhausgasemissionen führt.


 

3. Der Phosphorkreislauf: Der langsame Stein des Lebens

 

Phosphor (P) ist entscheidend für Energieübertragung (ATP), DNA, RNA und den Aufbau von Knochen und Zähnen. Im Gegensatz zu Kohlenstoff und Stickstoff gibt es keine gasförmige Phase des Phosphors. Der Kreislauf ist daher primär sedimentär und viel langsamer.

  • Verwitterung: Phosphor wird hauptsächlich aus Gesteinen freigesetzt, wenn diese durch Verwitterung zersetzt werden. Er löst sich als Phosphat (PO4^3-) im Boden und Wasser.

  • Aufnahme (Assimilation): Pflanzen nehmen Phosphat aus dem Boden auf und integrieren es in ihre Biomasse. Tiere nehmen Phosphor auf, indem sie Pflanzen oder andere Tiere fressen.

  • Zersetzung: Nach dem Tod von Pflanzen und Tieren wird Phosphor durch Destruenten wieder freigesetzt und dem Boden oder Wasser zugeführt.

  • Sedimentation: Ein Teil des Phosphors, insbesondere in Gewässern, setzt sich als unlösliche Verbindungen am Boden ab und wird in Sedimentgesteinen gebunden. Dies sind langfristige Speicher.

  • Hebung und Verwitterung: Geologische Prozesse können diese phosphorhaltigen Gesteine wieder an die Oberfläche heben, wo sie erneut verwittern und Phosphor freisetzen – ein Kreislauf über sehr lange Zeiträume.

  • Menschlicher Einfluss: Bergbau von Phosphatgestein für Düngemittel, Abwässer und Erosion von landwirtschaftlichen Flächen führen zu einem Überschuss an Phosphor in Gewässern, was dort zur Algenblüte (Eutrophierung) und Sauerstoffmangel führt.


 

Energiefluss: Der Motor der Kreisläufe

 

Neben den Stoffkreisläufen ist der Energiefluss ein grundlegendes Konzept der Ökologie. Er beschreibt, wie Energie durch ein Ökosystem strömt – im Gegensatz zu den Stoffen, die recycelt werden, wird Energie bei jedem Übergang immer als Wärme verloren und muss kontinuierlich nachgeliefert werden.

  • Primärenergiequelle: Die Sonne ist die ultimative Energiequelle für fast alle Ökosysteme auf der Erde.

  • Produzenten: Pflanzen und Algen (Produzenten) wandeln Sonnenenergie durch Photosynthese in chemische Energie (organische Materie) um. Sie bilden die Basis der Nahrungsketten.

  • Konsumenten: Tiere (Konsumenten) nehmen diese chemische Energie auf, indem sie andere Lebewesen fressen.

    • Primärkonsumenten (Herbivoren): Fressen Pflanzen.

    • Sekundärkonsumenten (Karnivoren): Fressen Primärkonsumenten.

    • Tertiärkonsumenten (Karnivoren): Fressen Sekundärkonsumenten.

  • Destruenten: Bakterien und Pilze (Destruenten) zersetzen tote organische Materie und gewinnen dabei ebenfalls Energie.

  • Energieverlust: Bei jedem Schritt in der Nahrungskette wird ein grosser Teil der Energie (ca. 90%) in Form von Wärme an die Umgebung abgegeben und geht dem System verloren (zweiter Hauptsatz der Thermodynamik). Nur etwa 10% der Energie werden in die nächste trophische Ebene (Nahrungsstufe) weitergegeben. Deshalb gibt es an der Spitze der Nahrungspyramide immer weniger Biomasse.

Der Energiefluss und die Stoffkreisläufe sind untrennbar miteinander verbunden und bilden das dynamische Gerüst, das das Leben auf der Erde in all seiner Vielfalt ermöglicht und aufrechterhält. Ein Verständnis dieser fundamentalen Prozesse ist entscheidend, um die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf unsere Umwelt zu begreifen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln.